Mittwoch, 16. Dezember 2015

Trail, not sail

Es war Montag morgen. Ich wachte zuhause auf. Also war ein kein (Alp-)Traum. Also ging es jetzt darum, Plan B umzusetzen.

Nützt ja nichts.

Als erstes kümmerte ich mich um den Trailer. Die Anmeldung machte keine Schwierigkeiten. Als nächstes besorgte ich mir bei einem Freund einen Fiat Ducato Maxi als Zugmaschine, da unser Renault Espace zu wenig Gewicht ziehen durfte. Vielen Dank hier nochmal an Jürgen Mathiesen, Inhaber der Dachdeckerei Sievert & Sohn (sollte er dies jemals lesen), der mir eines seiner Firmenfahrzeuge zur Verfügung stellte. Ich wollte kein Risiko eingehen, da die Dänen dafür bekannt sind, dass sie saftige Strafmandate ausstellen. Des Weiteren bekam ich von Jürgen Spanngurte, um das Boot ordnungsgemäß zu sichern. Zwischendurch erreichte mich die Zusage eines Segelfreundes, der sich bereit erklärte, mitzufahren. Hierrüber freute ich mich sehr, denn solch eine Unternehmung hatte ich zuvor noch nicht gemacht.
Der Wagen wurde mit allem erdenklichen beladen, was wir zum Landtransport benötigen könnten. Neben Werkzeugkiste, Flex, Handkreissäge und Akkuschrauber luden wir auch Bretter in verschiedenen Stärken und Längen ein, Schrauben, Rohrisolierungen zum abpolstern, Teichfolie zum unterlegen, Lagerböcke für den Mast sowie reichlich Zurrgurte und Tape ein.
Dienstag Abend und 18 Uhr starteten wir dann Richtung Schweden. 600 Km lagen vor uns. Die Fahrt verlief ohne nennenswerte Schwierigkeiten und so erreichten wir den Hafen von Varberg am Mittwoch morgen ca. 4 Uhr. Da  es noch zu früh war für's slippen, nutzten wir die Zeit, um ein wenig Schlaf nachzuholen. Gegen 8 Uhr erreichte ich den Hafenmeister telefonisch. Entgegen seiner Zusage vom Vortag könnte er heute nicht kranen, jedoch hätten wir die Möglichkeit, im Sportboothafen auf der anderen Seite des Sunds das Boot aus dem Wasser zu bekommen. Also verholte ich das Boot rüber, während mein Mitstreiter mit dem Gespann 5 Km fahren mußte, um den Hafen außerhalb der Stadt zu erreichen. Dort festgemacht fingen wir alsdann mit dem leerräumen des Bootes an. 
Wir legten den Mast mit einem Mastkran zum handkurbeln und verholten dann direkt vor den bereitstehenden Kran.
Der Kran hob das Boot aus dem Wasser und ich sah das erste mal das Unterwasserschiff meiner C26. Kein Bewuchs, keine Karambolagen. Klasse. Der Kranfahrer setzte das Boot behutsam auf dem Kielbrett ab. Ein kurzer Blick: Ich stellte fest, dass das Boot auf den Trailer passte. Vorne nicht zu dicht am Zugfahrzeug dran, hinten nicht zu weit drüber und die Stützlast war auch ausreichend (geschätzt nach dem Eintauchen des Fahrzeughecks). Also dann, ran an die Stützen. Ich zog eine der vorderen Stützen hoch...
...und die Stützenstange ploppte aus dem Führungsrohr. 😳
Die Stütze war zu kurz. Es klaffte eine Lücke von ca. 20cm zwischen Stützenstange und Führungsrohr. Schei...!!!💩 😩😁😱👿
Auch bei den anderen Stützen zeigte sich das gleiche Bild.

Sofort kamen mir einige mögliche Szenarien vor Augen, wie es jetzt weitergehen könnte. Von: Versenken irgendwo in den Schären; über: Ich hol noch einen Trailer; bis: Dicke Holzklötze zwischen Auflagen und Bordwand stecken fluteten immer mehr Bilder meinem Kopf. Der Kranführer machte seinen Kran aus, stieg herunter und steckte sich erstmal eine Zigarette an. Nach über 15 Jahren wieder anfangen mit dem Rauchen erschien mir plötzlich auch eine sinnvolle Lösung des Problems zu sein. Auch der Hafenmeister kam gelassenen Schrittes aus seinem Büro und beäugte die Malesche. Aus dem angrenzenden Restaurant kam ein älterer untersetzter Mann, der sich als Vorsitzender der Hafengesellschaft vorstellte. Ich dachte: "Jetzt gibt's Ärger". Da er kein Englisch konnte und wir kein schwedisch, übersetzte der Hafenmeister ins Deutsche, was mir vorgeschlagen wurde: Ein Schlosser in Varberg, der ebenfalls Segler und zudem Vorstandsmitglied des Hafens sei, könnte uns bei der Verlängerung der Stützen behilflich sein. Der Mann wurde offensichtlich von einer höheren Macht zu uns geschickt. In meinem Kopf lösten sich spontan meine irrwitzigen Alternativen in Luft auf und wir machten uns mit den ausgebauten Stützen auf den Weg nach Varberg. Zuvor fragte ich den Kranfahrer, ob wir das Boot solange wieder ins Wasser setzen sollten, damit andere Boote in der Zeit slippen könnten. Dies verneinte er erneut mit der Gelassenheit, die er bereits zuvor an den Tag gelegt hatte. Ich mag diese Schweden.
In der Schlosserei angekommen kümmerte sich der Chef sogleich höchstpersönlich um das Problem.
Mit den verlängerten Stützen fuhren wir wieder zurück und bauten sie sogleich ein. Alles passte! Ich konnte es kaum fassen. Erst jetzt wurden mir die Ausmaße des Kielbootes bewußt. Sehr hoch stand das Boot auf dem Trailer. Das ganze Gespann sah jetzt sehr mächtig aus. Plötzlich tippte mich der Hafenmeister auf der Schulter an. Er bat mich, das Gespann auf den Parkplatz zu fahren, damit jetzt noch andere Boote geslippt werden konnten. "Hetz mich nicht" wollte ich spontan als Witz gemeint sagen, wußte aber nicht, ob er es verstehen würde. Bevor wir mit dem verzurren anfingen, legten wir erstmal eine Essenspause im hafeneigenen Restaurant ein. Sehr lecker und preiswert speisten wir in freundlicher typisch skandinavischer Atmosphäre.
Anschließend machten wir das Boot mit Mast ordentlich fest und waren dann ca 17 Uhr marschbereit.

Dann ging es ans bezahlen. Ich befürchtete schon, dass die ultralange Aktion inclusive Schlosserarbeiten ein Vermögen kosten würde, ist Schweden doch bekannt für hohe Preise. Um so erstaunter war ich, als ich für alles zusammen 230€ zahlen sollte.
Der Hafenmeister bat mich, in Deutschland positiv über den Hafen zu berichten, da sie sich sehr über Gastlieger freuen würden. Es würde hier viel geboten incl. eines Wassertaxis, welches Gastlieger bei Bedarf jederzeit zur Stadt rüber fahren würde. Ich bedankte mich herzlich und versprach, bei meinem nächsten Besuch Varbergs gleich den besseren Hafen anzusteuern.

Ca 17 Uhr reisten wir ab. Bereits in der ersten Bodenwelle des schmalen Weges vom Hafen weg dachte ich, ich würde im Rückspiegel Zeuge, wie der Trailer samt Boot umstürzt, da das Boot stark schwankte. Auf den ersten Kilometern hielten wir auch noch mehrmals an, um die Verkehrssicherheit des Gespanns zu prüfen. Um 17:30 Uhr fing es dann an zu regnen und hörte bis zuhause auch nicht mehr auf. Auch der Wind war scheinbar immer noch nicht damit einverstanden, dass die Comfort Schweden verlassen sollte, bließ er doch gleich wieder mit 5-6 Bft. Nur konnte er uns jetzt nichts mehr anhaben. 
Um 3:30 Uhr in der Nacht erreichten wir den Winterstellplatz. 





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen