Samstag, 12. Dezember 2015

Aus der Traum

Am Sonntag morgen war es windiger geworden. Ich ahnte, dass es Probleme geben würde. Windfinder, DMI, DWD, alle waren sich einig: 7-9 Bft bei Anholt. Nur YR.no prognostizierte 6, in Böen 7. Man war versucht, selektiv nur den Norwegern zu glauben. Aber trotzdem: Zuviel für 26 Fuß! Ok, also legen wir einen Hafentag ein. Jedoch auch die weitere Prognose ließ keine Hoffnung zu. Bis Freitag im gesamten Kattegat Starkwind aus Süd-Ost bis Süd, evtl auch Süd-West. 
Klaus und ich berieten, was sinnvoll sei. Weiter die schwedische Küste runter fahren ging nicht mehr bei immer südlicherem Wind und außerdem war er zu stark. Abwarten und beobachten wäre eine Möglichkeit gewesen, aber wie lange? Mir blieben noch 7 arbeitsfreie Tage. Wie weit würden wir noch kommen? Alles unsicher! Klaus überlies mir die Entscheidung. 

Abbruch!!!

Die Entscheidung war rationell getroffen worden. Wenn wir zügig nach Hause kämen, könnte ich im verbleibenden Urlaub das Boot mit dem vorher gekauften Trailer auf dem Landweg holen. 
Also gut. Wir  schauten im Internet nach Zugverbindungen. Ein Zug fuhr stündlich von Göteborg kommend nach Kopenhagen. Auch Sonntags. Von dort ginge es mit nur kurzem Aufenthalt mit dem ICE über Fehmann nach Hamburg. Irgendwo auf der Strecke zwischen Fehmann und Hamburg würde ich mich abholen lassen. So der Plan. Also rasch die Sachen gepackt, das Boot klar gemacht und keine 2 Stunden nach der Entscheidung saßen wir im Zug Richtung Heimat.
Langsam wurde mir die Tragweite meiner Entscheidung bewußt. Und mit jedem Gleiskilometer, den wir uns im Großraumabteil der schwedischen Staatsbahn vom Boot entfernten, wurde ich trauriger. Klaus schien es zu spüren, denn er versuchte garnicht erst ein Gespräch anzufangen. Oder vielleicht war er genauso deprimiert.
Einige Zeit später fuhr der Zug in Sichtweite zur Küste entlang. Die See schien ruhiger zu sein als angekündigt. Hatten wir uns ins Bockshorn jagen lassen? Diese Frage beschäftigte Klaus in der nächsten Zeit noch mehr als mich. Hin und wieder schaute ich auf die aktuellen Wetterdaten der Apps. Hiernach trafen die Prognosen zu. Je südlicher wir jedoch kamen, desto ruhiger wurde es. 
Den Rest der Reise beschäftigten wir uns mit der Routenplanung für den Landtransport. In Frage kamen: 
 1. Die Brückenvariante, welche ich schon im Juli gefahren war
 2. Mit der Fähre über Greena/Anholt/Varberg

Einige Fragen stellten sich: 
- Passt der Trailer?
- Nimmt die Fähre Kielbootgespanne mit?
- Wie schwer ist das Boot tatsächlich? 
Denn mein Auto kann nur 2 Tonnen ziehen. Das Boot soll laut techn. Daten 1.5 t wiegen + 450 kg für den Trailer = sehr knappe 1.950 kg. 

In Kopenhagen hatten wir nur 15 min zum umsteigen. Das reichte nicht zum Ticketkauf am Schalter. Also rein in den Zug nach Hamburg. Ohne Platzreservierung! Wer das kennt weiß, wie wir uns fühlten. Man kommt sich vor wie illegal reisend. Nachdem wir einmal von unserem Platz von Platzreservierungsinhabern vertrieben worden waren, fanden wir weiter hinten im Zug Sitze, auf die kein anderer Reisender Anspruch erhob. Die Abfahrt verpätete sich dann aber doch um 45 min. Konnte es daran liegen, dass der Zug Eigentum der DB war? Irgendwann kam ein sehr sympathischer dänischer Schaffner und verkaufte uns günstigere Tickets als im Internet angegeben. Kleiner Trost in dieser Situation.
In Rødbyhavn fuhr der Zug auf die Fähre und wir mussten alle den ICE verlassen. Uns zog es auf Deck des Schiffes. Gespannt schauten wir auf den Fehmann-Belt. Es war kaum Seegang zu sehen. Der Wind an Deck resultierte vor Allem von der Fahrt der Fähre durchs Wasser. Wie gern hätten wir eine schäumende Ostsee gesehen. Klaus sprach es aus: "War es vielleicht doch zu voreilig, die Reise abzubrechen?" Ich schaute auf Windfinder und auf Anholt: 7-9 Bft aus SSO! Alles richtig gemacht, aber trotzdem Schei... . Wir hätten 5 Tage vorher fahren sollen. Hätten! 
In Oldenburg/Holstein verabschiedete ich mich von Klaus mit dem Versprechen, ihn über den weiteren Verlauf auf dem Laufenden zu halten. Da es von Oldenburg nach Kiel keine wirkliche öffentliche Verkehrsanbindung gab, holte mich meine Frau am Bahnhof ab. 8 Stunden nach Abfahrt in Varberg war ich wieder zuhause. Ohne Boot. Ohne richtigen Plan. Ich fühlte mich wie bei der Fußball-WM in der Vorrunde ausgeschieden. Zumindestens nehme ich an, dass man sich dann auch so fühlt. Um so mehr freute ich mich, meine Frau in den Arm zu nehmen. 

2 Kommentare:

  1. Lieber Jörg,
    Habe endlich etwas Zeit gefunden, um in Deinen Blog zu schauen. Schöner Blog. Ich mag wie du schreibst!

    Auch wenn der Post schon ein Jahr alt ist... Deine Enttäuschung kann ich dir so gut nachfühlen... Da hat man endlich ein eigenes Boot und dann spielt das Wetter nicht mit. Plötzlich muss man schwere Entscheidungen treffen, bei denen Herz und Verstand gegenteiliges raten... und womöglich ist das Wetter doch besser gewesen... Meinen Respekt dafür, dass du dich für den sichereren Weg entschieden hast!

    Liebe Grüße
    Klaus (von Fahrtenseglers-Glück)

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  2. Vielen Dank Klaus für die netten Worte. Ich fühlte mich damals so zweigeteilt. Auf der einen Seite die Tatsachen und deren logische Konsequenz und auf der anderen Seite die Enttäuschung darüber, dass der Törn zuende war.
    Vielleicht bin ich deshalb auch so heiß darauf, 2017 die Schleimünde-Anholt-Challange (SAC2017)mitzufahren. Ich bin da aber im Starterfeld eines der kleineren Boote und werde auf die Wetter-Limits achten müssen. Aber vielleicht klappt es ja diesmal mit Rasmus!
    Dir noch ne schöne Weihnachts- Schreibe- und Lesezeit
    Handbreit
    Jörg

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